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Bosch in Österreich
#TalkNerdyToMe

Martin Bammer über die Toolentwicklung bei Bosch

Ein Mann mit blauem Hemd und Brille zeigt mit beiden Fingern nach oben.

Mit der Serie #TalkNerdyToMe stellen wir euch Fachleute aus verschiedenen Bereichen vor und geben einen Einblick in ihre Arbeit. Diesmal sprechen wir mit Martin Bammer, Fachreferent für Toolentwicklung bei Bosch in Wien.

Martin, wir haben dich ausgewählt, weil du einer unserer Experten bei der Bosch Engineering GmbH bist. Erzähl uns mehr zum Thema Software Toolentwicklung!

Das Gebiet Toolentwicklung ist eine besondere Herausforderung. Tools sind das Handwerkzeug der Software-Entwicklung und beeinflussen somit die tägliche Arbeit, insbesondere die Produktivität und die Qualität.

Dieses Handwerkzeug wird von uns in der Toolentwicklung erstellt. Gute Tools schreiben zu können, setzt nicht nur gute Programmierkenntnisse voraus. Vielmehr muss man die Bedürfnisse und Arbeitsabläufe der Anwendenden genau kennen. Nur wenn sich das Tool perfekt in die täglichen Arbeitsschritte der Anwendenden integriert, kann man von einem guten Tool sprechen.

Erkläre uns den Begriff „Efficient Tooling“, warum ist das für die Zukunft wichtig?

„Efficient Tooling“ – die Bedeutung steckt schon im Namen: Es geht darum, effiziente Tools zu entwickeln und diese auch gezielt einzusetzen. Wenn Tools nicht geeignet, leistungsunfähig und benutzerfreundlich sind, bringen diese Ineffizienzen und einen Berg an manuellen Prozessen mit sich, die zusätzlichen Aufwand bedeuten. Die Projektteams brauchen die richtigen Tools für die jeweiligen Arbeitsschritte. Gute Tools sind möglichst einfach gestaltet. Das reduziert Anwendungsfehler und Wartezeiten.

Was fasziniert dich an dem Thema am meisten?

Mich begeistert vor allem, dass mein Job sehr abwechslungsreich ist. Ich habe mit verschiedensten Herausforderungen zu tun und muss je nach Aufgabe unterschiedliche Technologien und Programmiersprachen einsetzen. Es macht Freude, wenn sich das Ergebnis dann richtig anfühlt und die Anwendenden positives Feedback geben, oder gar Begeisterung zeigen.

Die Toolentwicklung ist für mich etwas wirklich Sinnstiftendes. Ich sehe einen unglaublich aufwendigen Prozess und wie sich meine Kollegschaft damit abmüht. Dann setze ich mich damit auseinander und entwickle ein passendes Tool, das den Aufwand auf einen Bruchteil reduziert. Mein Ziel ist immer: Der Arbeitsablauf soll flüssig und angenehm für die Mitarbeitenden sein.

Die sichtbaren Erfolge und das positive Feedback der Anwendenden bestärken mich täglich in meiner Arbeit und füttern meinen Ehrgeiz. Es ist schön zu sehen, wie meine Tools unsere Teams in den Projekten unterstützen.

Was macht Bosch in dem Bereich?

Bosch hat im Entwicklungsbereich mit einer eigenen Abteilung die Toolentwicklung auf neue Beine gestellt. Altlasten der letzten Jahrzehnte werden nun Schritt für Schritt beseitigt und durch bessere Lösungen ersetzt. Das ist eine große Herausforderung, aber ein notwendiger Schritt.

Was hat dein Job mit dem Thema zu tun?

Als ich im Herbst 2008 bei Bosch angefangen habe, ist mir schnell aufgefallen, dass viele Tätigkeiten aufgrund fehlender Toolunterstützung manuell erledigt werden mussten. Die Suche nach Informationen - zum Beispiel wie die verschiedenen Signale in der Software zusammenhängen, oder wie der Signalfluss ist und wie ich diesen von außen beeinflussen kann - hat mich mehr Zeit gekostet, als die eigentliche Softwareentwicklung.

Das war für mich die Initialzündung. Ich wollte ab sofort Programme schreiben, die meine Arbeit effizienter und angenehmer machen. Eines dieser Programme ist der A2L Inspector. Dieses Tool weckte schnell das Interesse der Teams in Wien. Hier war der Bedarf nach einer Arbeitshilfe dieser Art groß. Bald gehörte dieses Tool zum täglichen Handwerkszeug.

Der A2LInspector dient zum schnellen Auffinden von Informationen, Zusammenhängen und Fehlern in der Steuergeräte-Software. Auch am Testplatz ist das Tool eine sehr große Hilfe. Zusätzlich bietet es eine Navigationshilfe für die sehr umfangreiche Dokumentation der Steuergeräte-Software. Das Programm wurde schnell zum Selbstläufer. Kolleginnen und Kollegen haben das Tool auch in Meetings eingesetzt. So schaffte es den Sprung von Wien nach Japan und schließlich von Japan nach Abstatt, dem Hauptsitz von Bosch Engineering.

Als dort die Gruppenleiter gesehen haben, was hier in Wien programmiert wurde, waren sie anfangs skeptisch. Die Skepsis konnte ich nach kurzer Zeit ausräumen und ich durfte ab dann 20% meiner Arbeitszeit für die Weiterentwicklung dieses Tools aufwenden.

Mittlerweile bin ich zwar zum Fachreferenten aufgestiegen und leite das Fachreferat für Toolentwicklung, bin aber noch immer zu 100% Prozent Softwareentwickler mit Leib und Seele. Auch dem A2LInspector widme ich immer wieder Zeit für die Umsetzung von Verbesserungen und neuen Funktionen.

Im Normalfall gibt es zwei Arten, wie neue Tools entstehen: entweder, es kommen Kolleginne und Kollegen mit einem bestimmten Problem oder Bedarf auf mich zu, oder ich sehe selbst einen Handlungsbedarf und werde aktiv.

So war es zum Beispiel bei einem meiner neueren Tools, DisCo (steht für Distributed Computing). Wir haben mehrere Tools, die sehr lange Laufzeiten haben, wie z.B. den Software-Build oder die statische Codeanalyse. Wenn man die Prozessierung stärker parallelisiert, kann man deren Laufzeiten deutlich verkürzen. Da viele Rechner im Büro rumstehen deren CPU die meiste Zeit nichts zu tun hat, bietet es sich an diese für die Parallelisierung zu nutzen. Daher habe ich das Tool DisCo entwickelt, das bei Bedarf die Bürorechner zu Rechenclustern zusammenschaltet – dadurch können Programme beschleunigt und Kosten minimiert werden. Gleichzeitig wird die bestehende IT Infrastruktur besser genutzt. Mit DisCo können so manche kostenintensive Serverfarmen eingespart werden.

Was muss man für deinen Job können?

Wer im Bereich der Toolentwicklung bei Bosch tätig werden möchte, sollte folgende Skills mitbringen:

  • gute Kenntnisse in den gängigen Programmiersprachen (Python, C, C++, Java, etc.)
  • gute Kenntnisse über die gängigen Betriebssysteme (Windows, Linux)
  • tieferes Verständnis für Arbeitsabläufe in unterschiedlichen Projekten
  • die Bereitschaft, neue Programmiersprachen zu lernen, wie z.B. Rust

Bei unserer Arbeit ist der Blick über den Tellerrand wichtig. Wir verfolgen den IT-Trends und suchen ständig nach noch besseren Lösungen. Damit stellen wir sicher, dass wir den Anwendenden Produkte bereitstellen, die State-Of-The-Art sind.

Die Herausforderungen der Toolentwicklung sind vielseitig: Die Architektur des Tools, die Teststrategie und die Wahl der richtigen Technologien (Programmiersprache, Datenbanken, Dateiformate, etc.) sind für eine erfolgreiche Umsetzung relevant. Passt ein Tool nicht zu den Arbeitsabläufen, kann dies die Produktivität und die Qualität der Arbeit stark beeinträchtigen. Daher ist sowohl positives als auch negatives Feedback ein entscheidender Faktor für diese Arbeit.

Unser Team arbeitet selbstorganisiert. Das bedeutet, dass wir keine Führungskraft im klassischen Sinne haben Die Teams führen sich selbst und Entscheidungen werden gemeinsam getroffen. Daher ist bei uns ein hohes Maß an Disziplin und Selbstorganisation unabdinglich.

Was ist das größte Missverständnis in dem Bereich?

Eine der größten Falschannahmen ist, dass durchschnittliche Programmierkenntnisse für diesen Job ausreichen. Die Anforderungen sind viel umfangreicher. Durchschnittliche Programmierkenntnisse führen im besten Fall auch nur zu durchschnittlichen Ergebnissen. Fehlt das tiefere Verständnis zu den Anforderungen, wird sich das Ergebnis mit hoher Wahrscheinlichkeit schlecht in den Arbeitsalltag der Anwendenden integrieren und damit entsprechende Ineffizienzen verursachen. Auch die Qualität der Arbeitsprodukte kann darunter leiden.

Erzähl uns eine Anekdote aus deiner Bosch-Zeit!

Ganz zu Beginn meiner Zeit bei Bosch war das Internet für die Software-Entwicklung nicht so weit verbreitet, wie man glauben würde. Vor allem in ländlichen Gebieten war es Mangelware. Als ich dann für ein halbes Jahr zur Einschulung in Abstatt war, eine wirklich kleine Stadt in der Nähe von Stuttgart, durfte ich das persönlich erleben – es gab einfach kein Internet.

Heute blicke ich lachend auf diese Geschichte zurück, weil man kaum glaubt, dass vor gar nicht allzu langer Zeit es noch nicht Standard war, Internet für die Software-Entwicklung zu haben. Daran sieht man, wie schnell sich unsere Welt in etwas mehr als 10 Jahren verändert hat: heute ist es einfach unvorstellbar ohne Internet effizient Software zu entwickeln.

Wer ist als Nächstes dran und mit welchem Thema?

Michael Baumann hat einiges zum Thema „Prototyping“ zu sagen! :-)

Über Martin Bammer

Martin hat im Jahr 2008 als Software-/Systementwickler bei Bosch gestartet. Seit 2018 ist er nun Fachreferent für Toolentwicklung.

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