Vom Musiker zum Software-Entwickler
„Ich erinnere mich genau: Als Oboist spielte ich noch ein wunderschönes Konzert. Dann kam am nächsten Tag der Corona-Lockdown. Alle meine Engagements wurden abgesagt“, erzählt Andreas Nell. 2020 änderte die Corona-Pandemie sein Berufsleben als freischaffender Musiker von einem auf den anderen Tag. Das nutze Andreas jedoch als Chance: Mit 45 Jahren startete er im Herbst 2020 ein Studium an der FH Technikum in Wien und kam im Zuge seines Pflichtpraktikums zu Bosch in Wien.
Pandemie als Chance
Seit seinem Abschluss 2001 mit dem Diplom auf der Musikuniversität Graz im Fach Oboe arbeitete Andreas als freischaffender Musiker und spielte Konzerte und Tourneen wie in der Wiener Volks- und Staatsoper. Vor 20 Jahren war laut Andreas das Leben als freischaffender Musiker noch sehr schön mit gutem Gehalt. In den letzten Jahren wurde jedoch alles teurer. „Da es bei dem Gehalt keine Inflationsanpassung gibt, ist der einzige Weg, um mehr zu verdienen, auch mehr zu spielen“, gibt Andreas Einblicke in die Branche. Der Gedanke, sich beruflich neu zu orientieren, beschäftigte ihn daher schon länger. Bisher fehlte der entscheidende Anlass.
Die Corona-Pandemie traf die Kultur- und Kreativwirtschaft mit besonderer Härte. Wir erinnern uns zurück: Aufgrund der Lockdowns war es nicht möglich, Konzerte besuchen zu können – und es war nicht klar, für wie lange das so sein wird. „Ich habe erstmal gegoogelt, wie lange eine Pandemie durchschnittlich dauert. Für mich war dann klar, dass ich die nächsten 2 Jahre nicht nur daheim absitzen, sondern die Zeit effektiv nutzen will. Ich wollte schon immer Programmieren lernen, weshalb ich dann nach passenden Studiengängen gesucht habe “, so Andreas. Nach vielen Gesprächen mit seiner Familie bewarb der Musiker sich schließlich mit 45 Jahren an der FH Technikum für das Studium „Smart Homes und assistive Technologien“.
Erste Schritte im neuen Beruf
Ab Herbst 2020 teilte sich Andreas virtuell den Hörsaal mit anderen Studierenden. „Meine Mitstudierenden hätten meine Kinder sein können. Durch den Altersunterschied hatte ich vor dem Studium schon ein wenig Angst, wie mich die anderen aufnehmen würden“, sagt Andreas. Diese Angst war unberechtigt. Andreas fand schnell Anklang, knüpfte Freundschaften und war durch seinen Fleiß ein beliebter Partner für Gruppenarbeiten.
Ein Teil des Studiums ist ein Pflichtpraktikum, wofür er sich 2023 bei Bosch in Wien bewarb. Das Bewerbungsgespräch war sein erstes dieser Art. „Als Musiker muss man nicht sprechen können, sondern spielen“, lacht Andreas. Er überzeugte und startete sein Praktikum in einer Abteilung im Geschäftsbereich Power Solutions. Die Abteilung ist verantwortlich für die Prozesse, Methoden und Tools, die intern hauptsächlich bei PS-SC eingesetzt werden. Hier unterstützt Andreas bei der Entwicklung eines SW-Entwicklungstools. Sein Team nahm ihn gut auf und sorgte dafür, dass Andreas sich in seine Aufgaben schnell einarbeiten konnte. Die Unterschiede zu seiner vorherigen Tätigkeit waren schließlich nicht klein: Als Musiker spielte beispielsweise die Arbeitszeit keine große Rolle, früher hätte er niemals auf die Stunden geschaut und wäre nur froh gewesen, wenn er wo spielen konnte.
Keine Sekunde bereut
Mittlerweile hat Andreas sein Bachelorstudium erfolgreich abgeschlossen. Er befindet sich nun im Masterstudium und ist als Werkstudent weiterhin bei Bosch tätig. An seinem Job schätzt Andreas den abwechslungsreichen Tätigkeitsumfang und die Möglichkeit, Theoretisches, in der Fachhochschule Gelerntes in die Praxis umsetzen zu können: Dazu gehören die erworbenen Programmier-Kenntnisse und das generelle Verständnis von Micro-Controller.
Für Andreas hat sich der mutige Schritt ausgezahlt – keine Sekunde würde er seine damalige Entscheidung bereuen. Als Oboist spielt der 49-Jährige weiterhin ausgewählte Konzerte und das besser denn je. „Im Musikstudium hat mein Professor immer zu mir gesagt, ich müsse beim Spielen endlich mal locker werden. Das hat nun endlich geklappt“, erzählt Andreas.
Vielfalt in Teams
Auch Herbert Pamperl, seine disziplinarische Führungskraft, bereut die Entscheidung nicht, sich beim Bewerbungsprozess damals für Andreas entschieden zu haben. Er war beeindruckt von Andreas' Mut und Motivation und wählte ihn neben seiner fachlichen Qualifikation auch deshalb aus. Bereits in den ersten Wochen kristallisierten sich Andreas' Stärken heraus – das Team profitiert unter anderem von seiner Lebenserfahrung und Selbstorganisation. Herberts Gruppe ist sehr divers aufgestellt, sowohl in Bezug auf Alter, Geschlecht, Nationalität als auch Vorerfahrungen. Darauf legt er auch beim Bewerbungsprozess wert, da vielfältige Perspektiven bereichern und die Innovationskraft steigern. Es kann aber auch in der Kommunikation und Zusammenarbeit eine Herausforderung sein, was das Führen von diversen Teams anspruchsvoller macht. "Wenn man das jedoch als Führungskraft im Griff hat, sind diverse Teams ein echter Gewinn für das Unternehmen. Es ist faszinierend, welches Potenzial gelebte Diversity bietet“, sagt Herbert.